Sei da wo deine Füße sind
- nadinequinn7
- 15. Okt. 2024
- 4 Min. Lesezeit

Sei da wo deine Füße sind...
Steht heute morgen auf dem kleinen Zettel, der an meinem Yogi Teebeutel baumelt. Kurz komme ich beim Lesen dieses einfachen Satzes ins Grübeln, aber dann schrecke ich durch ein lautes Hustengeräusch auf und stelle meinen Thermos Becher schnell zur Seite.
Ich stehe im Lazarett – meinem kurzfristig im Boberger Pferch errichteten Weidezelt. Eigentlich habe ich dort kein Zelt – denn die Tiere haben im Normalfall genügend Witterungsschutz durch die Eichen auf der Fläche. Aber dieses Jahr ist eben alles anders. Denn die Seuche tobt in Deutschland und hat natürlich auch vor den Toren Hamburgs nicht Halt gemacht. (Auch wenn manch ein Vet. Amt bis zum Schluss gehofft hat das dem so wäre).
Das Zelt haben wir aufgestellt um den Tieren, die am Beginn eines Hüte Tages nicht fit sind und durch Rotz aus der Nase, Lahmheiten oder Geschwollene Köpfe auffallen möglichst Zeitnah und unkompliziert helfen zu können. Natürliche gehen solche Tiere nicht mit der Herde zum Hüten, sondern werden Im Zelt mit Futter, Wasser und den Notwendigen Medikamenten versorgt. Empathie wird bei der Versorgung Großgeschrieben und so bekommen die Tiere nicht nur Antibiotika um die Begleiterscheinungen des Virus in den Griff zu bekommen, sondern auch Schmerzmittel um die größten Beschwerden zu lindern. Trotz intensiver Betreuung gelingt es uns aber nicht alle Tiere wieder auf die Beine zu bekommen. Bis heute verliere ich 40 Tiere an diese Krankheit mit den vielen Gesichtern.
Das dies in anderen Betrieben noch viel schlimmer aussieht erfahre ich im Austausch mit Kollegen und Freunden und frage mich: wie kann das eigentlich sein das eine Seuche durch Deutschland zieht und Tausende von toten Tieren hinterlässt über die außerhalb der Bubble in der man sich als Schäfer oder Rinderhalter bewegt niemand spricht?
Wie viele andere Betriebe, entscheide ich mich dafür alle Schafe, Ziegen und Rinder impfen zu lassen. Während das Vet Amt in Hamburg vorbildlich alle Tierhalter anschreibt und über BT, zur Impfe und den Bezuschussungsmöglichkeiten informiert verpennen andere Veterinärämter wie der Heidekreis dies komplett. Hobbyhalter werden nur schleppend informiert. Denn auch die Medien schweigen zum Seuchenzug.
Obwohl vieles im Seuchengeschehen an Corona erinnert, laufen wir der Krankheitsentwicklung hinter her. Von Präventiven Handeln seitens der Entscheidungsträger kann keine Rede sein. Es werden Restriktionsgebiete ausgewiesen. Ich selbst musste Mitte April noch alle Tiere, die zur Landschaftspflege nach Hamburg gereist sind (also über 400 große und kleine Schafe, Ziegen und Rinder) mittels PCR-Test untersuchen lassen und nachweisen das die Tiere keine Blauzunge hatten.
10 Stunden Arbeit und einige Tausend Euro haben wir an diesem Tag für ein Ergebnis verbrannt was allen schon bekannt war und von dem wir wussten das es nur eine Moment Aufnahme sein wird...Aber der Amtsschimmel bestand nun mal darauf.
Keine 8 Wochen später gab es den ersten Positiven BT Fall in meiner Herde.
BT ist eine Anzeigepflichtige Krankheit und nimmt leider keine Rücksicht auf Wochenenden. Als ich also das erste Tier mit verdächtigen Symptomen in meiner Herde finde rufe ich den Tierarzt an, dieser verweist mich auf den Amtstierarzt. Den am Wochenende zu benachrichtigen ist gar nicht so einfach und so wende ich mich, wie es auf der Seite der Hansestadt steht erst einmal an die Polizei. Diese hatte so einen Fall auch noch nicht und muss erst mal Recherchieren. Ich werde benachrichtigt das man den Amtsveterinär erreicht hätte und dieser sich bei mir melden wird wann er zur Herde kommt. Das tue ich dann auch von 12 bis 21 Uhr warte ich bei meiner Herde, nur um dann am Telefon zu erfahren das man als Amtstierarzt keine Rufbereitschaft hat (das sei so nicht gewollt) und ich mich doch wieder an den Tierarzt wenden solle. (Das hätte man ja auch gleich sagen können?!)
Mein Tierarzt nimmt einen Tag später Blut ab und behandelt natürlich auch das erkrankte Tier und zwei weitere die ich am folge Tag in der Herde finde.
Als das Testergebnis 11 Tage später im Briefkasten liegt, ist längst klar – die Herde hat Blauzunge. Was nun beginn ist ein oft verzweifelter Kampf um jedes einzelne Tier. Manch einem Tag geht es ein paar Tage schlecht – fast wie bei einer Grippe. Andere können sich nicht mehr auf den Beinen halten und brauchen Wochen um wieder aufzustehen. 40 Meiner Tiere kann ich nicht helfen.
Es lässt ein Verzweifeln wenn man fast jeden Tag mind. 1 Totes Schaf über den Hof trägt. Und wieder frage ich mich – wieso berichten die Medien von dieser Katastrophe nicht?
Schäfer und Schafhalter werden im Stich gelassen. Denn wir bleiben auf den Tierarztkosten und Verlusten sitzen. Obwohl wir alle in die Tierseuchenkasse einzahlen kommt aus dieser zwar ein Zuschuss zu den Impfkosten – aber dieser wird sich durch die Pflichtbeiträge im nächsten Jahr zurück geholt soviel ist schon mal klar.
Mit dem Beginn der kühleren Jahreszeit hoffe ich nun auf eine Atempause – denn auch wenn ich im Moment keine Tiere in der Herde habe, deren Krankheitsverlauf so schlimm ist wie noch im Juli oder August, so ist doch hier und da immer noch mal ein Tier mit milden Symptomen zu sehen.
Mit Sorge schaue ich auf das kommende Frühjahr - denn sowohl BTV 3 als auch 8 sind in Holland nachgewiesen worden und bis jetzt gibt es noch keinen Kombi Impfstoff geschweige denn einen der meine Herde wirklich richtig schützt.
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