Herdenschutz
- nadinequinn7
- 26. Nov. 2023
- 5 Min. Lesezeit
Es ist mal wieder spät geworden am Freitag Abend.
Im Sommer hatte ich mir vorgenommen der Winter wird ruhiger. Immerhin muss die Herde nicht 8 Stunden am Tag gehütet werden. Statt dessen stehen Schafe und Ziegen im Elektrozaun – zusammen mit meinen 3 Herdenschutzhunden und es bleibt mehr Zeit für andere Dinge. So war zumindest die Theorie.
Irgendwie ist es auch ein bisschen so – nur das nun andere Dinge mehr Zeit und Aufmerksamkeit fordern. Ich engagiere mich für den Verband Herdenschutz. Nicht nur der Hunde wegen – sondern auch weil mein Betrieb durch die ständig steigenden Risszahlen und das nicht Handeln unserer Politik vor Existenzbedrohende Probleme gestellt wird.
Umso mehr man aber in dieser ganzen Wolfspolitik hinter die Kulissen schaut umso mehr ist man eigentlich sprachlos und / oder wütend.
Die Entscheidung Hunde zum Schutz in meine Herde zu stellen habe ich nicht leichtfertig getroffen. Drei Jahre habe ich hin und her überlegt. Verschiedene Hunde und Betriebe besucht. Ein Jahr lang Erfahrungen während meiner Arbeit in einem Betrieb mit gut 40 HSH gesammelt. Letztlich habe ich nach viel hin und her überlegen den Schritt gewagt – weil die Risszahlen immer weiter steigen, der Zaunbau einfach seine Grenzen hat und ich selbst auch an die Grenzen dessen stoße, was ich leisten kann.
Also zogen im letzten Sommer 3 Sarplaninac bei mir ein. Eine bereits zertifizierte Hündin und zwei Junghunde im Alter von 6 Monaten. Ganz bewusst viel die Entscheidung auf diese Rasse – Der Mut und vor allem die Coolnes dieser beeindruckenden Hunde hat mich überzeugt. (Die Übermäßige Bellfreudigkeit anderer eher abgeschreckt.) Pünktlich zur Pubertät gab es dann mit den beiden jungen Hunden Probleme. (wie es sie im Übrigen bei jeder HSH-Rasse gibt / geben kann). Rosa und Hades haben angefangen meine Schafe und Ziegen zu mobben – immer aus dem Sozialspiel miteinander heraus. Meine Althündin bemühte sich zwar konnte dieses Verhalten aber nicht immer stoppen. Ein Schaf habe ich dadurch vermutlich (genau weiß ich es aber nicht) verloren.
Sowohl durch den Züchter meines Vertrauens als auch den Deckrüden Besitzer und den ersten Vorsitzenden des Verbandes bekam ich wann immer ich Fragen hatte oder um Hilfe gebeten habe unkompliziert und zeitnah Unterstützung und Rat.
Obwohl meine Jungen Hunde im Moment (noch) mehr Arbeit erfordern habe ich die Entscheidung meine Herde nicht nur durch Zäune, sondern auch durch Hunde zu schützen nicht bereut. Wenn es auch einiges mehr an Aufwand und Man Power erfordert. Allein der Witterungsschutz – den ich für meine Hunde durch umgebaute IBC Container sichere – erfordert das beim Umstecken der Herde eine zweite Person mit anfasst. Das Alltagstraining der Jungenhunde, um sie trotz eines unabhängigen Lebens in der Herde, gut händeln zu können ist ein weiterer Punkt der täglich zusätzliche Zeit und wissen erfordert. Letztlich reicht es als Schäferin längst nicht mehr aus genügend über Landschaftspflege, die Bedürfnisse von Schafen, Ziegen und Hütehunde zu wissen. Nein – als Schäfer egal ob Haupterwerbler oder Hobbyhalter bist Du ein bisschen wie MacGyver – Du kannst von allem etwas nur nichts richtig.
Was mich aber doch nervt sind alle die, die mit viel Meinung und wenig wissen den Weidetierhaltern die Überlegung, ob sie Hunde zum Schutz einsetzen wollen, schon im Ansatz vermiesen. Da wird teilweise von Hobby Hüte Sportlern so ein schlechtes Bild gemalt, das ich mich ernsthaft frage, ob diesen Menschen bewusst ist das ohne Schafe bald kein Hüte Sport (was anderes ist das nicht) mehr möglich ist. Und ohne Herdenschutzhunde der Schutz der Schafe noch weniger möglich wird.
Ja, Herdenschutzhunde sind nicht für jeden Betrieb geeignet. Der Einsatz auf Standweiden kann, wenn direkte Nachbarschaft zu Wohngebäuden besteht und Du zu viele Hunde einsetzt oder einen zu bellfreudigen Hunde Typ auswählst zu Problemen führen. muss es aber nicht ! Meine Herde steht in einem kleinen Dorf und die direkten Anwohner kommen ganz gut mit der Anwesenheit meiner Hunde klar. Das der Wolf aber auch vor Weiden im Ort oder in Ortsrand nähe Schafe und Ziegen nicht verschmäht zeigen die jüngsten Risse im Landkreis Uelzen.
Herdenschutzhunde in der Pubertät können für ihre Herde und ihren Besitzer zu einer echten Belastung werden – umso wichtiger ist zu sehen, wo her der zukünftige Bodyguard kommt und die Bereitschaft durch Management die Situation zeitlich befristet zu verändern.
Ich würde mich trotz der Herausforderungen immer wieder für den Einsatz von Hunden zum Schutz der Herde entscheiden. Denn ich habe festgestellt das meine Hunde viel besser sind als ich es erwartet habe. Wenn ich mit meiner Herde zum Hüten in die Fläche ziehe, bleiben sie im Pferch zurück und genießen ohne Probleme ihren Wohlverdienten Feierabend. Sie leben in friedlicher Koexistenz mit meinen Hütehunden. Sie lassen sich problemlos aus der Herde nehmen und benehmen sich an der Leine wie ganz normale Hunde. Bringe ich Besuch mit in die Herde sind sie freundlich, wenn auch am Anfang beobachtend und wachsam.
Meine Herdenschutzhunde sind keine Dauerkläffer - sie wägen ab ob es notwendig ist überhaupt zu bellen. Wenn sie einmal loslegen, sind sie beeindruckend bleiben aber artig hinterm Zaun und beruhigen sich schnell, wenn die Bedrohung verschwunden ist. Zum Teil wägen sie ab, ob es überhaupt notwendig ist zu reagieren oder ein Aufmerksames Beobachten erst mal ausreicht.
Auch meine Mitarbeiter können nach einem persönlichen kennenlernen (einmaliges Vorstellen reichte aus) meine Hunde versorgen. Dies habe ich selbst als Mitarbeiterin in einem anderen Betrieb mit Kangals genauso erlebt. Selbst wenn der Zaun mal durch Wild niedergerissen wird, bleiben sie bei Ihrer Herde.
Was aber am allerwichtigsten ist – meine Schafe und Ziegen haben sich nach einer Eingewöhnungszeit gut an die Hunde in der Herde gewöhnt und fühlen sich weder durch sie im Fressverhalten noch im Ruhen gestört.
Damit das Zusammenleben so funktioniert braucht es gute Rahmenbedingungen- die nicht nur wissen vom Weidetierhaltern, sondern auch von Behörden und Entscheidungsträgern zum Thema erfordern.
Um mehr Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen – habe ich nicht nur weit vor dem Pferch schon Schilder aufgestellt, sondern organisiere einen Tag der offenen Weide und lade interessierte Menschen ein nicht nur Schafe und Ziegen zu streicheln, sondern auch meine Hunde kennen zu lernen.
Die Wolfspräventionsmaßnahmen haben in meinem Betrieb bereits Dimensionen erreicht, die meinen Betrieb weit über das normale Maß hinaus belasten. Früher stand vor allem die Schaf und Ziegengesundheit im Vordergrund. Heute ist die Wolfsprävention genauso wichtig. Vor jedem Zaunbau wird mit einem Hochgrasmäher eine Schneise gemäht, um möglichst viel Strom auf den Zaun zu bekommen. An allen Ecken wird akribisch abgespannt. Ich verwende 4 Erdungstäbe mit einem Solarbetriebenen Stromgerät das nur zu zweit zu bewegen ist. Die erwähnten IBC Container müssen für 3 Hunde bewegt werden. Die jungen Hunde erfordern Aufmerksamkeit und Ausbildung.
Wenn man dann auf Podiumsdiskussionen den Vorwurf hört Schäfer wollen nicht richtig schützen - kann einem das bei so einem Arbeitspensum nachvollziehbar verärgern.
Auch wenn der Einsatz meiner Hunde im Moment noch einiges an Mehraufwand bedeutet, bin ich mir trotzdem sicher das ein Dauerhafter Schutz meiner Schafe und Ziegen nur durch den Einsatz von Hunden und Zäunen bei gleichzeitiger Einführung eines Wolfsmanagements durch zeitnahe Entnahmen von Wölfen die den Grundschutz (zur Erinnerung der liegt bei 90 cm – letztlich spielt aber die Höhe von 90 cm oder 1,20 für Wölfe wie Gloria in NRW keine Rolle) überwinden möglich sein wird.

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